FamilienLeben in der Stadt

Bei der Arbeit verzweifelt und aussichtslos versucht, mein Tagespensum zu schaffen. Gestresst und genervt zur Kita gehetzt, um meine Kinder gerade noch rechtzeitig abzuholen. Schreianfall an der Garderobe, weil ich gedankenverloren die Schuhe „falsch“ angezogen habe. Noch schnell mit der überfüllten U-Bahn in den Biosupermarkt, um frischen Salat und Gemüse fürs Abendbrot zu kaufen. Fast an der Kasse angekommen, passiert das, was ich schon seit dem Betreten des Ladens befürchtet habe: Meine Kinder zeigen mir die rote Karte. Sie wollen nicht, was ich will.

Meine Kinder wollen alles aus dem Regal an der Kasse ausräumen, angucken und möglichst auch kaufen. Ich hingegen möchte einfach nur schnell raus aus dem Laden und nach Hause. Mindestens einer meiner Kinder schreit so laut, dass es alle im Laden gut hören können. Ich schreie innerlich und versuche äußerlich Ruhe zu bewahren. Ich sage meinen Kindern, was ich will, aber sie wollen gerade einfach nicht „funktionieren“. Meine Tochter erkundet weiter die Regale und mein Sohn ist in jeder Faser seines Körpers wütend. Ich bin in jeder Faser meines Körpers erschöpft. Die anderen Menschen starren und warten. Ich stehe da und frage mich: Was soll das? Wieso passiert diese Szene immer und immer wieder? Mir selber und den vielen anderen Eltern? Muss das so sein? Will ich das so? Ist das so gesund für mich und meine Familie? Was kann ich anders machen, damit solche Momente mich nicht jedes Mal aufs Neue innerlich zerreißen?

Wie jeder Mensch, befinde mich selber auf meinem ganz eigenen Weg. Ich bin Gründerin des LebensraumFamilie, Diplom Psychologin, Kleinkindpädagogin, familylab-Seminarleiterin, Entspannungspädagogin, Mutter und Ehefrau. Ich bin 38 Jahre alt, lebe mit meinen zwei Kindern und meinem Mann in München. Ich habe eine Arbeit, die mich erfüllt und trotzdem gibt es so viele Dinge, die mir im Zusammenleben in der Stadt immer wieder so gar nicht gefallen. Dem Trotz meiner Kinder sei Dank, kann ich den wesentlichen Fragen meines Lebens nun endlich nicht mehr ausweichen und darf mein eigenes Leben, entsprechend meiner Werte, immer wieder neu sortieren.

Meine Kinder kennen nur das Hier und Jetzt. Ihnen ist es egal, welche beruflichen, finanziellen oder pädagogischen Ziele ich gerade verfolge. Sie wollen einfach nur mit dem SEIN, was Ihnen gerade begegnet: Vor allem wollen meine Kinder sich selbst und alle Menschen um sie herum erfahren und mit Ihnen ehrlich und authentisch in Beziehung sein. Sie wollen alle Dinge und Gesetzmäßigkeiten entdecken und ausprobieren, um jeden Tag ein bisschen selbständiger, freier und unabhängiger von mir zu werden. Ja und genau das bringt mich an den Kern des Themas: Wie selbständig, frei und unabhängig bin ich denn eigentlich in meinem Leben? Und wie authentisch und ehrlich gehe ich mit mir, meinen Kindern und meinen Mitmenschen in Beziehung. Lebe ich wirklich das Leben, das ich leben will? Und empfinde ich mein Leben so eigentlich als „artgerecht“ für mich und meine Kinder?

Will ich meine Kinder wirklich jeden Tag in die Kita geben? Will ich unter Stress und Druck arbeiten? Will ich so viel Zeit in geschlossenen Räumen verbringen? Ist das Essen aus dem Biosupermarkt wirklich gesund? Und wieso ist es mir eigentlich immer wieder so wichtig, was andere über mich denken? Wie schaffe ich es entspannt mit meinem Mann zu sein, ohne ihn immer wieder für mein Leben verantwortlich zu machen? Und wieso gehe ich nicht zum Yoga, obwohl ich weiß, dass es mir so gut tut?

Die Stadt als Lebensraum für eine Familie bietet für meinen Geschmack viele Herausforderungen, aber auch unglaublich viele Chancen. Die größten Geschenke sind für mich die vielen anderen Menschen um mich herum, die ich erfahren darf und mit denen ich in Beziehung sein kann. Ich freue mich immer wieder in meinen Seminaren, Vorträgen oder Einzelberatungen von den individuellen Beziehungswegen anderer Familien zu hören. Es zeigt mir die Fülle an Möglichkeiten, wie man als Familie leben kann. Es gibt hierbei für mich kein richtig oder falsch. Allerdings gibt es manchmal Wege, die sich einfach leichter, fröhlicher und lebendiger gehen lassen, als die bisher gewohnten.

Dem Trotz meiner Kinder sei Dank, darf ich jeden Tag selber neu reflektieren, wo ich von mir, meinen Kindern oder meinem Mann zu viel Kooperation erwarte und wo dem einzelnen von uns zu wenig Raum für die eigene Integrität bleibt. Denn in einem bin ich mir ganz klar. Ich will für meine Familie das volle Leben mit allem, was dazu gehört: Mit allen Gefühlen, allen Menschen und allen Möglichkeiten, die sich uns im LebensraumFamilie bieten.

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